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Vorläufige Ergebnisse der Siedlung Artanish 9

Die Siedlung Artanish 9 befindet sich zwischen den Dörfern Artanish und Shoghakat in der Provinz Gegharkunik am Nordufer des Sevan-Sees. Der Fundort befindet sich auf einem Hügel, in dessen Westteil rechteckige und ovale Grundrissstrukturen sichtbar sind. Im nordöstlichen Teil befinden sich etwa 20 Cromlechs, die zumeist Gräber „markieren“. Während der ersten möglichen Feldkampagne im Sommer 2021 wurden Arbeiten an zwei Bereichen durchgeführt: auf der westlichen Seite des Hügels („Trench A“) und beginnend auf der östlichen Seite („Trench B“).

Artanish 9: Luftaufnahme des Siedlungshügels sowie Detailaufnahme von Trench A und B.

Artanish 9: Luftaufnahme des Siedlungshügels sowie Detailaufnahme von Trench A und B.

Artanish 9: Luftaufnahme des Siedlungshügels sowie Detailaufnahme von Trench A und B.

Trench A wurde aufgrund von ovalen Steinanhäufungen an der Oberfläche  genauer untersucht (Grabungsfläche nach Erweiterung 10 m x 6 m), die sich allerdings als moderne Strukturen aus den letzten 100–150 Jahren herausstellen und deren tatsächliche Funktion noch nicht bekannt ist. Unmittelbar daran an schließt sich eine Kulturschicht der Frühbronzezeit (Kura-Araxes-Horizont). Es konnten während der Kampagne bereits ein rechteckiges und ein rundes Gebäude  teilweise freigelegt werden, die frühbronzezeitlich datieren und durch einreihige Wandungen aus mittelgroßen Steinen, die mit Lehm verputzt wurden, gekennzeichnet sind. Brandspuren in den Gebäuden deuten auf den Grund für deren Aufgabe. Neben zahlreichen Keramikscherben, Tierknochen und Obsidiangeräten in beiden Häusern fanden sich im östlich gelegenen ein vollständig erhaltenes Keramikgefäß und ein für die Kura-Araxes-Zeit typischer Lehmherd.

Im Vergleich zu Trench A, bei dem die Wahl der Grabungsfläche auf einen Überblick der Strukturen zielte, wurde der Standort der vorläufig als Trench B bezeichneten Fläche (10 m x 2 m) im östlichen Bereich des Hügels gewählt, da sich hier oberflächlich keine Steine befanden und somit eine gut erhaltene Stratigrafie zu vermuten war. Ähnlich der Fundsituation von Trench A fand sich hier – allerdings ungestört durch rezente Eingriffe – direkt unter der Grasnarbe eine zusammenhängende einreihige Steinstruktur, die mit Lehm verputzt war. Mehrere Gruben innerhalb des ovalen Gebäudes und außerhalb an der Mauerstruktur weisen eine Fülle keramischen Materials aus der Kura-Araxes-Phase sowie Tierknochen, Obsidiansplitter und Holzkohlereste auf. Zusätzlich konnten im Gebäude mehrere Pfeilspitzen und Klingen aus Obsidian, Fragmente von Tonherden und ein Radmodell dokumentiert werden.

Artanish 9: Typische Befunde und Funde für die frühbronzezeitliche Kura-Araxes-Phase. Links: Lehmherd (Trench A); Mitte: schwarzpoliertes Gefäß (Trench A); rechts: Miniaturrad eines Wagenmodells (Trench B).

Artanish 9: Typische Befunde und Funde für die frühbronzezeitliche Kura-Araxes-Phase. Links: Lehmherd (Trench A); Mitte: schwarzpoliertes Gefäß (Trench A); rechts: Miniaturrad eines Wagenmodells (Trench B).

Artanish 9: Typische Befunde und Funde für die frühbronzezeitliche Kura-Araxes-Phase. Links: Lehmherd (Trench A); Mitte: schwarzpoliertes Gefäß (Trench A); rechts: Miniaturrad eines Wagenmodells (Trench B).

Für den Fundort Artanish 9 lässt sich somit bereits nach einer Ausgrabungskampagne feststellen, dass der gesamte Siedlungshügel wohl eine – bis auf wenige rezente Strukturen – einphasige Siedlung aus der Frühbronzezeit darstellt. Sämtliche 14C-Ergebnisse von Knochen- und Holzkohlematerial zeigen einen eng begrenzten zeitlichen Rahmen von ca. 2800–2600 v. Chr. für alle drei untersuchten Gebäude an (MAMS 52771–52780 [2σ]) und stellen somit eine in der Region bisher einzigartige Fundstelle der Spätphase der Frühbronzezeit dar. Vorläufige archäobiologische Untersuchungen legen nahe, dass die Bewohner von Artanish  9 vorwiegend auf Ackerbau und Viehzucht spezialisiert waren (Getreide, Schaf, Ziege, Schwein), aber auch die Jagd (Hirschknochen) praktizierten. Die Arbeiten im Sommer 2022 werden eine Konkretisierung der Interpretation des Fundplatzes erlauben und zum dringend notwendigen Verständnis des „Kura-Araxes-Phänomens“ (Marro et al. 2014) beitragen.

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