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Survey im Wadi Hamar

Der Übergang vom Neolithikum zum Chalkolithikum in Nordost-Syrien -
Untersuchungen zur kulturellen Transformation von der Halaf- zur 'Obed-Kultur

Einleitung

Die nordmesopotamische Halaf- und die ihr nachfolgende 'Obed-Kultur repräsentieren zwei große prähistorische Epochen Mesopotamiens im 6. und 5. Jahrtausend v. Chr. Sie gelten als "Vorläufer" auf dem Weg zur späteren, städtisch geprägten mesopotamischen Kultur. Die Halaf-Kultur ist durch eine dörfliche Lebensweise mit häuslicher Produktion geprägt.Ihr Ende wurde durch kulturelle Transformation herbeigeführt, d.h. durch Angleichung der Produktion und sozialen Organisation im Zuge der sich von Süd nach Nord ausbreitenden 'Obed-Kultur Ende des 6. Jts. v. Chr.

Forschungen im Iraq, in Syrien und in der Türkei haben die Diskussion dieses Kulturwandels neu entfacht. Dabei nehmen derzeit v.a. chronologische Aspekte als Basis weiterer Forschungen eine zentrale Rolle ein. Es ist seit vielen Jahren ein Desiderat, die Forschung in der nordostsyrischen Gezire, in einem der "Kerngebiete" der Halaf-Kultur, zu intensivieren, da die Ergebnisse aus älteren Ausgrabungen oft nur selektiv präsentiert wurden und über die Chronologie hinausgehende Fragestellungen, wie etwa z.B. zur Architektur- und Siedlungs-entwicklung oder zu Veränderungen der sozialen Organisationsformen aufgrund der mangelnden Quellenlage kaum näher konkretisiert werden können.

Dies soll mit dem vorliegenden Forschungsprojekt auf zwei Wegen erreicht werden: zum einen durch eine zweijährige Ausgrabung an einem bisher unerforschten, größeren Fundplatz der Halaf- und 'Obed-Zeit (für 2004/05 in Planung) und zum anderen durch die Auswertung des Wadi Hamar-Surveys, ca. 30 km westlich des Tell Halaf. Im Zentrum der Untersuchungen stehen dabei Fragen zur Chronologie, zur Siedlungsentwicklung und zur kulturellen Transformation (Abb. 1).

Abb. 1 Karte zur Lage der Wadi Hamar-Region

Abb. 1 Karte zur Lage der Wadi Hamar-Region

Abb. 1 Karte zur Lage der Wadi Hamar-Region

Wadi Hamar Survey

In den Jahren 1997 bis 2001 wurden unter der Leitung von J.-W. Meyer (Universität Frankfurt am Main) in der Umgebung von Tell Chuera in einem 300 qkm großen Gebiet mit Ausgangspunkt Kharab Sayyar intensive Begehungen durchgeführt, um die Siedlungsentwicklung vom Neolithikum bis ins Mittelalter nachzuzeichnen. Hierbei konnten auch insgesamt 14 Fundorte der Halaf- und 'Obed-Zeit erfaßt werden (Abb. 2).

Die bisherige Auswertung zeigt, daß sowohl während der Halaf-Kultur als auch der nachfolgenden 'Obed-Zeit primär der nördliche Bereich des Wadi Hamar besiedelt war, während sich südlich des Wadi Hamar keine Siedlungen beider Perioden belegen lassen. Die Siedlungen liegen somit im Bereich der Regenfeldbauzone und im Bereich alter Wasserläufe, mit der größten Dichte im nordöstlichen Abschnitt.

Vergleichbare Untersuchungen zu Siedlungsystemen der Halaf-Zeit - etwa aus dem westlich anschließenden Balikh-Tal - lassen auf ein dreistufiges Siedlungsmodell schließen, bestehend aus größeren Dörfern, kleinen Weilern und möglicherweise saisonalen Camps. Aus den archäologischen Quellen kann dabei eine Kombination unterschiedlicher Subsistenzstrategien erschlossen werden: einerseits ganzjährig bewohnte und primär auf Ackerbau und Viehhaltung basierende Lebensweise sowie andererseits saisonale Siedlungen transhumanter, jägerischer Gruppen, die in engem räumlichen und gesellschaftlichem Kontakt zueinander standen und schließlich die Kombination beider Subsistenzformen in ein und derselben Siedlung.

Abb. 2 Wadi Hamar: Siedlungen der Halaf- und 'Obed-Zeit

Abb. 2 Wadi Hamar: Siedlungen der Halaf- und 'Obed-Zeit

Abb. 2 Wadi Hamar: Siedlungen der Halaf- und 'Obed-Zeit

In ihrer Siedlungsgröße liegen die Fundorte des Wadi Hamar-Gebiets im Bereich dessen, was auch andernorts für die Halaf-Zeit bekannt ist. Als größere Siedlungen mit ca. 4 bis 5 ha Fläche sind neben dem Tell Chuera im Nordwesten des Untersuchungsgebiets nur Tell Tawila und 'Agila-Süd im südlichen Abschnitt des Wadi Hamar zu nennen. Die anderen Fundorte repräsentieren demgegenüber mit einer Fläche von selten mehr als 1 ha typische Kleinsiedlungen der Halaf-Zeit.

Die Fundverteilung an den beiden größeren Siedlungsplätzen, Tell Tawila und 'Agila-Süd,deutet im Verlauf der 'Obed-Zeit auf eine deutliche Verringerung der Siedlungsfläche hin. Im nördlichen Untersuchungsgebiet scheint hingegen die Siedlungsdichte als auch die Siedlungsgröße zunächst erhalten zu bleiben. An einzelnen Fundorten läßt sich möglicherweise sogar eine Vergößerung des Siedlungsareals während der 'Obed-Zeit feststellen.

Ursächlich könnte diese Siedlungsverlagerung mit der Verschlechterung der klimatischen Rahmenbedingungen, d.h. mit einer Verlagerung der Regenfeldbauzone nach Norden am Ende der Halaf-Zeit zusammenhängen, die zur Aufgabe bislang intensiv genutzten Landes in der Südhälfte des Untersuchungsgebiets führte. Vor dem Hintergrund dieser ökologischen Veränderungen und bei wachsender Bevölkerung wird in der 'Obed-Zeit in benachbarten Regionen mit einer Siedlungskonzentration an ausgewählten Orten sowie mit der Einführung einer intensiveren Bewässerungswirtschaft gerechnet. Solche Siedlungskonzentrationen sind am Übergang Halaf-'Obed mittlerweile in mehreren Regionen des nördlichen "Fruchtbaren Halbmonds" bezeugt, so z.B. in Domuztepe, Tell Kurdu, Kazane oder Qamishliye.

Geomagnetische Testmessungen

Im Rahmen des Wadi Hamar-Surveys konnte in 'Agila-Süd eine eintägige geomagnetische Testmessung durchgeführt werden. Der wie eine Acht geformte, ca. 320 x 140 m große Fundplatz, der modern als Ackerland intensiv genutzt wird, besteht aus zwei flachen Anhöhen: einer großen, aber sanft ansteigende Erhebung im Nordwesten und einer rund 2,5 m hohen Kuppe im Südosten. Nach bisheriger Keramikanalyse war der Fundplatz vor allem zur Halaf- und Obed-Zeit besiedelt, während spätere Epochen nur in äußerst geringem Umfang im Bereich der südlichen Kuppe präsent sind. Die Fundverteilung läßt darauf schließen, daß ab der mittleren Halaf-Zeit (ab ca. 5800 v. Chr.) das gesamte Gelände besiedelt war, während sich die obedzeitliche Siedlung weitgehend auf die kleine Kuppe im Südosten des Ruinen-geländes konzentrierte.

Als besonders aufschlussreich erweisen sich die Messungen im nördlichen Siedlungsbereich (Abb. 3), die auf rund 100 m Länge eine Umfriedung (Graben oder Mauer ?) zeigen und den Wohnbereich nach Norden und Westen vom unbesiedelten Bereich abgrenzen. Die Siedlungsbebauung läßt sowohl agglutinierende Gebäudestrukturen als auch Rundbauten erkennen. Ein Haken entlang dieser Umfriedung könnte als Zugang interpretiert werden. Vergleichbare Baulichkeiten sind aus dem Bereich der Halaf-Kultur bisher nicht bekannt, zeitlich vergleichbare Parallelen finden sich aber in der Samarra-Kultur im mittleren Mesopotamien (z.B. in Tell es-Sawwan). Da mit Ausnahme von keramischen Einzelfunden jüngerer Epochen in großem Umfang hier nur Halaf-Keramik anzutreffen war, wird eine Datierung in die mittlere bis späte Halaf-Zeit (ca. 5600-5300 v. Chr.) vorgeschlagen. Ein solcher Datierungsansatz bedeutet zugleich ein Überdenken bisheriger Interpretationen zur halafzeitlichen Siedlungsweise und Gesellschaftsorganisation, die hier allerdings nur angedeutet werden kann: Neben offenen Kleinsiedlungen und einer Haushaltproduktion, die beide als typisch für die Halaf-Zeit gelten, ist die Errichtung einer solchen Siedlungsumfriedung nur als Gemeinschaftsarbeit auf dörflicher Ebene vorstellbar. Wie auch auf dem Gebiet der Glyptik (z.B. aus Tell Sabi Abyad in den letzten Jahren gut bezeugt) liegt damit ein weiterer Hinweis vor, der bereits innerhalb der Halaf-Zeit auf zunehmend komplexere gesellschaftliche Strukturen hindeutet.

Abb. 3 GeomagnetischeTestmessungen in Agila-Süd

Abb. 3 GeomagnetischeTestmessungen in Agila-Süd

Abb. 3 GeomagnetischeTestmessungen in Agila-Süd

Abb. 3 GeomagnetischeTestmessungen in Agila-Süd

Ausgrabungen in Tell Tawila (geplant für die Jahre 2004 und 2005)

Den Schwerpunkt des Forschungsvorhabens sollen archäologische Ausgrabungen an einem größeren Fundplatz der Halaf- und 'Obed-Zeit bilden, die für die Jahre 2004/2005 geplant sind. Hierdurch soll einerseits eine regionale Stratigraphie für beide Perioden erarbeitet werden und andererseits auf größerer Fläche Einblicke in die Siedlungsstrukturen und damit auch der Veränderungen sozialer Organisationsformen gewonnen werden.

Als Ausgrabungsort wurde Tell Tawila gewählt, ein ca. 13 km südlich von Tell Chuera, ein nahe der Einmündung des Wadi Chuera in das Wadi Hamar gelegener Fundplatz. Mit einer Fläche von 5 ha handelt es sich um einen der größeren halafzeitlichen Fundplätze dieser Region (Abb. 4).

Abb. 4 Ansicht des Tell Tawila von Südwesten

Abb. 4 Ansicht des Tell Tawila von Südwesten

Abb. 4 Ansicht des Tell Tawila von Südwesten

Nach bisheriger Keramikanalyse war der Siedlungsplatz ab der mittleren bis späten Halaf-Zeit großflächig besiedelt. Ob der Ort in dieser Zeit eine einzige größere Siedlung bildete oder aus einzelnen kleineren Dörfern bestand, die sich auf mehrere flache Anhöhen verteilen, läßt sich noch nicht abschließend beantworten. In geringerer räumlicher Verteilung ist die nachfolgende 'Obed-Zeit vertreten, deren Verbreitung sich hauptsächlich auf den östlichen und südlichen Teil des Siedlungsgeländes konzentriert. In geringem Umfang sind dabei auch Keramikgattungen vertreten, die der Halaf-/'Obed-Übergangsphase zuzuordnen sind.

Auf unterschiedliche lange andauernde Besiedlungslücken folgt schließlich am Fundplatz eine Wiederbesiedlung während der Eisenzeit II/III (8.-7. Jh. v. Chr.) und der frühislamischen Zeit, während die Hügelspitze durch eine lockere rezente Bebauung überlagert wird.

Halaf- und 'Obed-Keramik aus Tell Tawila und 'Agila-Süd

Halaf- und 'Obed-Keramik aus Tell Tawila und 'Agila-Süd

Halaf- und 'Obed-Keramik aus Tell Tawila und 'Agila-Süd


Zusammengestellt von Jörg Becker, November 2003

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